(K)ein Grund zur Klage

aj

2017/12/06 17:12 | Permalink
André Jordan

 Wie Sie wissen, sind wir am Anfang des Jahres in unsere neuen Räumlichkeiten gezogen. Helle Büros, top-ausgestattete Seminarräume und eine Umgebung, die Vergangenheit und Zukunft verbindet, machen das Arbeiten angenehm. Doch seit ein paar Wochen haben wir Grund zu klagen …

Zugegeben, es ist nicht wirklich etwas Großes - andere würden es wohl auch als Lappalie abtun - und zudem ist absehbar, dass dieses Ärgernis bald ein Ende haben wird. Und doch, wer sich mit Ergonomie und Belastungen am Arbeitsplatz auskennt, weiß, wie unangenehm mechanische Schwingungen sind, und er wird unser Klagen nachvollziehen können.

Mechanische Schwingungen werden in der Regel in Maschinen erzeugt und auf den Menschen übertragen. Je nach schwingungsbelasteter Körperstelle wird zwischen Ganzkörperschwingungen und Hand-Arm-Schwingungen unterschieden. Schwingungsbelastungen sind typischerweise Arbeitnehmer ausgesetzt, z.B. die Fahrzeuge führen, an Pressen und Stanzen arbeiten, oder die bei ihrer Tätigkeit handgeführte Arbeitsgeräte wie Bohrhämmer, Schleifgeräte oder ähnliches einsetzen.

Die Wirkung von Schwingungen ist einerseits von ihrer Frequenz und andererseits von ihrer Amplitude abhängig. Schwingungen mit großer Amplitute und niedriger Frequenz können den Bewegungsapparat schädigen. Hohe Frequenzen, wie sie bei handgeführte Maschinen auftreten, können hingegen zu Durchblutungsstörungen führen. Besonders unangenehm wirken sich Schwingungen aus, wenn deren Frequenz in der Nähe der Resonanzfrequenz von Organen wie der des Magens oder der des Augapfels liegt.

Der menschliche Körper versucht Schwingungen durch entsprechende Muskelarbeit zu kompensieren. Es ist verständlich, dass seine Leistung dadurch gemindert wird. Zudem beeinträchtigen Schwingungen die Reaktion und die Geschicklichkeit des Menschen und können so zu einer erhöhten Unfallgefahr führen. Da man um die schädigende Wirkung von Schwingungen weiß, wurde im Jahr 2007 die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung erlassen, die Grenzwerte für Ganzkörper- und Hand-Arm-Vibrationen festschreibt.

Was hat das mit unserem Büro im Wissenschaftshafen zu tun? Weder die Tastatur noch die Maus senden merkliche Schwingungen aus. Auch der Lüfter des PC summt kaum wahrnehmbar. Die Ursache für die Schwingungen, die seit Wochen Tag für Tag unsere Schreibtische vibrieren lassen, liegt ausserhalb unseres Büros: Gegenüber wird eine alte Lagerhalle abgerissen. Mit schwerem Gerät rückt das Abrissunternehmen dem Backsteinbau zu leibe. Nach und nach verwandeln sich dessen Wände in Schutt und Staub, die dann abtransportiert werden.

Eigentlich ist es schade um den Bau. Doch wo etwas Neues entstehen soll, muss das Alte weichen. Es ist sicherlich keine leichte Aufgabe darüber zu entscheiden, was bleiben kann und was weichen muss. Das Gebäude der alten Hafenmeisterei, in dem wir unsere Büros haben, durfte bleiben. Der Denkmalschutz hat dem Bauherrn hier etliche Entscheidungen abgenommen. So wurden z.B. die Backsteine der Aussenwände an vielen Stellen nicht neu verfugt.

Bei der Lagerhalle gegenüber hat man sich hingegen für den Abriss entschieden. Zwar sind mir die Pläne nicht bekannt, doch allem Anschein nach wird eine der Aussenwände stehenbleiben. Darauf deutet zumindest die Stahlkonstruktion hin, die diese Wand vor dem Einsturz schützt. (Im Bild auf der rechten Seite.) Möglicherweise plant man, sie in die Fassade eines Neubaues zu integieren. Zu wünschen wäre es, und zudem ein Symbol dafür, wie Vergangenheit und Zukunft im Wissenschaftshafen verbunden werden.

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